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14. Dezember 2019  |  Von Jutta In Wiederentdeckungen

Weihnachtsworte (3)

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Die 00er Jahre

Und da war Weihnachten schon wieder, wieder in einer anderen Kirche, und inzwischen war man der Meinung, dass Krippenspiele zeitgemäß sein sollten: keine Jungen mehr als Hirten mit umgehängten Schafsfellteppichen, keine niedlich herausgeputzten Mädchen als Engelchen –Weihnachten spielte nun in einer kaputten Familie, von Arbeitslosigkeit und Scheidung bedroht, und das Weihnachtswunder brachte sie auf irgendeine etwas befremdliche Art wieder zusammen, keiner wusste auch nur fünf Minuten später noch, worum es eigentlich gegangen war. Es wurden auch keine heiligen Worte gesprochen, sondern ungeschickte, aber zweifellos gut gemeinte kleine Dialoge, und die meisten hatten sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, sie auswendig zu lernen; und wieder einmal funktionierte das Mikrophon nicht, und alle waren wirklich froh, wenn es vorbei war. Immerhin, manchmal kehrte man auch zurück zu der vertrauten Geschichte; aber dann spielte sicherlich ein besonders großer ungelenker Junge die Maria, und Josef war ein besonders zierliches Mädel, und man wollte lieber nicht wissen, was genau in der Krippe lag.

Bei einem solchen Krippenspiel begab es sich nun, dass die Darsteller kleine Spielzeug-Schäfchen mitbringen sollten. Das Kind hatte, schon seit den ersten Babyjahren, ein Herzenslämmchen, das lange Jahre bei ihm schlief; es lag ganz ruhig da, die Vorderpfoten ausgestreckt, auf die es mit einem recht herzerweichenden, aber auch ein wenig verschmitzten Schafsblick herabblickte. Und das Kind durfte diesmal lesen, von der Kanzel herab vorlesen, es war der Geist der vergangenen Weihnachten geworden; schließlich hatte es ja auch gerade den Vorlesewettbewerb an der Grundschule gewonnen, obwohl es ein Junge war! Und das Kind sprach die heiligen Worte, wenn auch in einer inzwischen modernisierten, vielleicht aber noch nicht geschlechtergerechten Fassung, und rechts neben ihm lag, ganz ruhig mit Schafsblick, sein mitgebrachtes Lämmchen auf der Kanzel – was sollte es schließlich auch bei den Hirten, es war das Lämmchen eines ehemaligen Verkündigungsengels mit Zahnlücken, und es lauschte nun aufmerksam und hingebungsvoll den laut und deutlich vorgetragenen heiligen Worten, wie wir alle dort unten. Und als dann der Pastor auf die Kanzel stieg und seine Weihnachtspredigt hielt – wahrscheinlich irgendetwas über die Hirten als soziale Außenseiter, das war zu dieser Zeit gerade die Weihnachtsmode –, war das Lämmchen auf dem Pult liegen geblieben, und man konnte sich einbilden, dass der Pastor ab und zu einen etwas erstaunten Blick nach rechts unten auf das weiße wollige Etwas richtete, bevor er wieder zu seinem Text zurückkehrte. Aber vielleicht machte es seine Stimme etwas weicher, und man dachte, dass man viel öfter kleine weiße Lämmchen im Blick haben sollte, wenn man redete.

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