Die amerikanische Rechtsanwaltsserie Damages zeigt die Kollateralschäden von Macht, die manipulative Macht der Frauen und die Unmöglichkeit wahren Schadenersatzes.
Damage – das bedeutet im Englischen: Schaden oder Verlust. Damages hingegen, das Wort im Plural, bedeutet: Schadenersatz, Entschädigungssumme. Wer den Schaden hat, braucht nämlich nicht nur für den Spott, sondern auch für den Ersatz nicht zu sorgen. Das tun, vor allem in den USA, seine Anwälte, die dabei auf jeden Fall reich werden, ohne den Schaden zu haben. Je größer dabei der Schaden, desto größer auch der Ersatz für den Anwalt, desto größer nämlich die eigenen Einnahmen. Diese ironische Wendung macht sich die gleichnamige amerikanische Anwaltsserie Damages zunutze, die seit 2007 produziert wird und mit der fünften season inzwischen ihr Ende gefunden hat; es war – aber das können wir hier natürlich nicht erzählen! Oder können wir doch? Denn ein wesentliches filmisches Mittel der Serie war von Beginn an ihre zeitliche Nicht-Linearität: Das Ende steht schon am Anfang jeder Staffel, in unscharfen Szenen, ausschnittsweise und immer hochdramatisch – am Ende, so weiß die erfahrene Zuschauerin bald, wird ein ultimativer Schaden stehen. Meist ist es der ultimative Schaden schlechthin, nämlich ein Menschenleben. Die damages, sie haben ihr Opfer gefordert; allerdings nicht für die Anwältin Patty Hewes, die nämlich ist nur noch ein Stückchen reicher, mächtiger und berühmter geworden.
Macht und Mentoring: Glenn Close als weibliches Machtmonster und Rose Byrne als Hepburn-Wiedergängerin
Nun hätte sie das wahrlich nicht nötig. Zum einen, weil Patty Hewes, die zentrale Gestalt der Serie, sowieso schon so mächtig, reich und berühmt ist, wie das eine Frau in einer renommierten New Yorker Anwaltskanzlei nur werden kann. Sie ist allerdings nicht ganz unberührt von persönlichen damages. Von ihrer Kindheit erfahren wir nur Weniges und nichts Gutes (kann eine Seriengestalt jemals eine wenigstens passable Kindheit gehabt haben? gibt es keine Größe ohne damages?), ihren Sohn hat sie so vermurkst, wie man ein Kind nur durch maximalen Einsatz eines fatalen Verstandes und persönlicher Vernachlässigung der Karriere wegen vermurksen kann, und ihre Ehe (kann eine Seriengestalt jemals eine auch nur passable Ehe haben?) – reden wir lieber gar nicht erst davon.
Zum zweiten, und das bringt uns natürlich dazu, die Serie trotz ihrer sehr passablen Vorgänger (von Ally McBeal bis hin zu Boston Legal und The Good Wife)treu zu schauen, wird Patty Hewes von Glenn Close gespielt. Closes einzige Bedingung für die Mitwirkung war, dass die Serie in New York gedreht werde; und ihre Motivation war durchaus eine feministische: Nach der Lektüre des Drehbuchs beschloss sie, dass dies eine Serie über Frauen und Macht werden würde. Das hatten wir zwar schon in The Devil wears Prada (2006), aber damals ging es um Mode, trotz aller der berühmten Männer im Mode-Geschäft doch ein wenig – ein Frauenthema. In Damages aber geht es um Macht, um Geld und – gelegentlich – um Recht; und die damages, die dadurch entstehen. Im doppelten Sinn.
Patty Hewes, von Glenn Close mit einer hinreißend manipulativen Mini-Mimik bis in die kleinsten Bewegungen der nicht ganz weggeschminkten Augenfältchen gespielt, ist eine zweifellos ziemlich beschädigte Persönlichkeit. Aber in ihrem rücksichtlosen Kampf gegen die bullies dieser Welt, die allseits bewunderten Machtmänner (Vorbilder für die jeweils eine season übergreifenden Fälle waren beispielsweise der Finanzspekulant Bernie Madoff, der Gründer von Blackwater, Erik Prince, oder Julian Assange von Wikileaks), wird sie zu einer Dampfwalze des Rechts, die alles tötet, was sich ihr und ihrem Erfolg in den Weg stellt: Familienmitglieder, Kollegen, Freunde, Geliebte, Täter, Opfer, Zeugen, Unbeteiligte gleichermaßen. Am Ende jeder season ist Patty – allein, aber siegreich. Das Blut tropft zwar nicht von ihren Händen, aber reichlich von denen ihrer willigen Werkzeuge (Männer meistens, übrigens; selbst die mächtigsten Frauen lassen ihre Dreckarbeit lieber von Männern machen). When I am through with you /there won’t be anything left , so klingt der subtil bedrohliche Sound zur Serie von The VLA, und besser könnte man es nicht sagen. Übrig ist nur Patty, und sie hat einmal mehr gewonnen. Aber was ist übrig von ihr?
Neben Glenn Close spielt eine ziemlich handgepickte Riege bekannter Serien-Darsteller. Ihre Gegenspielerin, die zuerst reichlich naive junge Anwältin Ellen Parson (Rose Byrne), macht vor den Augen der Zuschauerinnen einen Schnellkurs nicht nur in weiblicher Machttechnik, sondern auch in schauspielerischer Präzision bei Minimalausdruck durch. Je mehr sie im Verlauf der Serie als zierliche, unschuldige Audrey Hepburn ausgestattet wird (es gibt Mäntel, die kann nur Audrey Hepburn tragen; und Rose Byrne, wie wir jetzt wissen), desto stärker wird ihr Kampf darum sichtbar, ihre persönlichen damages zu reduzieren (ihr Verlobter war gleich der ultimative Schadenfall in der ersten Staffel, und um sie herum fallen die Schläge ziemlich dicht). Am Ende – aber nein, wir sparen die Schlussszene aus. Eines der besonderen Verdienste der Serie ist im Übrigen, dass sie gelegentlich geradezu charmant verschweigt, wie es wirklich war; warum sollten es die Zuschauerinnen auch besser wissen als die Anwältinnen, die täglich mit unzähligen Varianten von Geschichten konfrontiert werden, ohne jemals wissen zu können, wie es denn gewesen ist? Macht lebt, auch das kann man lernen, von Unsicherheit. Wer die Wahrheit nicht weiß, manipuliert besser.
Macht und Frauen
Die geistigen Väter der Serie, Todd A. und Glenn Kessler sowie Daniel Zelman, wollten ursprünglich vor allem das Mentor-Verhältnis zwischen der machtgestählten Patty und der noch ein wenig kükenhaften Anfängerin Ellen in den Vordergrund stellen; eine bisher eher wenig dramatisierte, aber zweifellos angesichts der Blüte von Mentoring-Programmen immer bedeutungsvoller werdende Machtdynamik (mit der die Autoren, wie sie zugaben, im Unterhaltungsgeschäft durchaus ihre eigenen Erfahrungen gesammelt hatten). Damages und Mentoring – auf den ersten Blick ein ungleiches Paar, aber auf den zweiten: ein ziemlich intim verbundenes. Denn es ist ein Machtverhältnis ganz besonderer Art, subtil, persönlichkeitsprägend, wie jedes Erziehungsverhältnis; Erziehung ist, noch in ihren vermeintlich anti-autoritärsten Fragen, immer auch ein Machtspiel.
Dass Damages dann doch, zumindest in zweiter Linie, ein Schauspiel über Frauen und Macht wurde, mit Glenn Close als einer Art weiblichem, selbst als Monster noch charmanten J.R. Ewing oder einer modernisierten Lady Macbeth – war wohl spätestens nach der Besetzung der Hauptrolle nicht zu vermeiden. Ob sich die Macht dabei ändert, wenn sie von reiferen Frauenhänden subtil manipuliert wird, das wäre die eigentlich interessante Frage. Und während man noch hin- und her überlegt, und während man die Mentorin und ihr Protégée mit all der geballten männlichen CEO-Macht vergleicht, die in den einzelnen Staffeln vorgeführt wird (die meisten von ihnen: geschädigte Persönlichkeiten, kann ein CEO jemals eine nicht-geschädigte Persönlichkeit haben?), läuft das Intro vorbei, eine Reihe von Monumentalplastiken in einer glasklaren blau-schwarzen nächtlichen Stimmung. Filmisch bewegt es sich deutlich auf den Spuren von House of Cards (und konnte man in dieser Serie nicht mindestens ebenso viel über damages lernen wie über den Genreunterschied von weiblicher und männlicher Macht, mit der phänomenalen Robin Wright?). Es ist von der gleichen ästhetischen Perfektion, verschoben nur im Ort: New York statt Washington, das Recht statt der Politik. Von den Statuen sieht man nur geschickt gewählte Ausschnitte mit in Stein gemeißelten großen Gesten. Eine imposante Frauenfigur, ganz in Gold, auf der Spitze eines imposanten Gebäudes; barfuß und mit wehenden Gewändern steht sie auf der Erdkugel, und in der Hand trägt sie einen Zweig und eine Krone (sie stellt die Civic Fame dar und steht auf dem Manhattan Municipial Building in New York). Frauen beherrschen die Welt, sagt die Statue, sie stehen ganz oben, vielleicht barfuß, aber sie brauchen auch keine Waffen, sondern Kronen und Lorbeerzweige. Das ist vertraute Ikonographie, wir kennen Justitia und Athene. Aber im nächsten Schnitt taucht eine weniger bekannte Plastik auf: ebenfalls eine Frau, sie sitzt statuesk und imposant auf einem Thron, und neben ihr – beugt sich ein Mann herab, kniend, nackt bis auf einen Lendenschurz, alt, mager, ein Sklave, ein Besiegter? Denn die Frau sitzt, so sieht man im nächsten Schwenk, auf einem Podest von drei Totenköpfen; und zu ihren Füßen liegt eine weitere männliche Gestalt, unterworfen, demütig, gesichtslos (es handelt sich um die Darstellung von Asia am Alexander Hamilton U.S. Custom House, und auf den kulturgeschichtlichen Hintergrund gehen wir jetzt lieber nicht ein). Damages, hier kann man sie am Werk sehen; verübt von einer ausdruckslosen, machtbewussten Frau, die auf Leichen sitzt. Und wenn im nächsten Schnitt dann Glenn Close den wohlfrisierten Kopf hebt und der Zuschauerin direkt in die Augen schaut, selbstbewusst, eine neue Athene, und danach Rose Byrne zum Leben erwacht, eine zierliche, aber durchaus gnadenlose Justitia – dann ist das auch ein wenig gruselig. Waren Frauen vielleicht schon immer die eigentlichen Herrscherinnen, und wir haben es nur nicht gemerkt?
Leben ist ein Schadensfall, den keine Lebensversicherung abdeckt
Am Anfang und am Ende des Intros jedoch steht ein jugendlicher Hermes, mit Flügelschuhen tanzt er daher. Er verkörpert die Glory of Commerce (auf dem Grand Central Terminal New York), und er streckt eine friedliche, versöhnliche Hand aus. Sollen wir ihm besser trauen, dem Götterboten, der so jugendlich-frisch zwischen Mann und Frau schwebt? Oder George Washington, dessen Worte das New York County Courthouse zieren, einen ganz traditionellen Palast des Rechts, der ebenfalls Teil des Intros ist: „The true administration of justice is the firmest pillar of a good government“. Hermes lächelt ironisch. Das Recht ist eine Machtfrage. Das ist die einzige Gewissheit, mit der man Damages verlässt. Nein, eine zweite noch: Ein Schaden, der durch Schadenersatz geheilt werden kann, ist höchstens ein Verlust. Schäden aber – sind geschlechterunabhängig und weder heil- noch vermeidbar. Ein Lebensrisiko, das keine Versicherung abdeckt und kein Anwalt einklagen kann. Der Mensch ist ein Schadensfall.
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