Olga Tokarczuk, Empusion Was wäre, wenn? – das ist nicht nur die Zauberformel von Literatur schlechthin, verstanden als eine alternative Geschichten-Schreibung, als ein Experiment mit dem menschlichen Fühlen und Denken innerhalb künstlerisch erschaffener Parallel-Welten. Es ist auch eine Zauberformel, mit der man die Literaturgeschichte – im Großen und Ganzen und über weite Strecken: eine ziemlich […]
Elefanten in Bloomsbury (von Rose Macaulay)
Eine Neujahrsfantasie Kann es wahr sein, oder träume ich? Kann es sein, dass ich, als ich in der tiefsten Totenstille der Nacht (falls die Nacht jemals tot ist) über den Tavistock Square fahre, auf der Straße vor mir eine Herde Elefanten erkenne? Groß, grau, seelenruhig, begleitet von einem Mann mit einem biegsamen Stock, meine ich, […]
Handarbeit. Von spinnenden, webenden und schreibenden Frauen
Die Reihe nennt sich „Handliche Bibliothek der Romantik“, und es sind wirklich handliche Bücher in jeder Hinsicht: Frau nimmt sie gern zur Hand, sie fühlen sich gut an mit ihrem textilen Überzug, angenehm fasslich, aber nicht kuschelig. Die Zweifarbigkeit leitet sanft zwischen Text und Abbildungen hin und her, hie ein waches Blau, dort ein sachliches […]
Magdalena wer? Vortrag erinnert an schwäbische Schriftstellerinnen
Wer kennt sie: Magdalena Rieger, Sophie von La Roche, Marianne Ehrmann, Therese Huber, Ottilie Wildermuth, Isolde Kurz oder Victoria Wolff? Für weibliches Schreiben waren die Bedingungen in den letzten Jahrhunderten oftmals schwierig. Noch heute wird der Literaturkanon von männlichen Autoren dominiert. Ein Vortrag in Tübingen widmete sich Schriftstellerinnen aus über 200 Jahren schwäbischer Literaturgeschichte und […]
Lieder einer furchtlosen Frau (3): Aus Sylvia Towsend Warners Kindheit
Bekanntlich beginnt jeder ordentliche Bildungsroman mit den Eltern. Über die Eltern von Sylvia Townsend Warner findet sich in einer ihrer nach ihrem Tod veröffentlichten Kindheitsgeschichten ein Satz, der ein ganzes umständliches Persönlichkeitsprofil ersetzt, er heißt: „My mother was infallible. My father made no such claim, but he had a fine assortment of irrefutable doubts” (Meine […]
Tod einer Schwärmerin, oder: Erzählen von der Depression im 18. Jahrhundert
Johann Karl Wezel gehört zu denjenigen Autoren, von denen Kennerinnen des 18. Jahrhunderts vielleicht einmal etwas gehört haben; aber so richtig hat er es in keinen Bildungs-Kanon geschafft und schon gar nicht auf irgendwelche Bestseller-Listen. Und zu seinen am wenigstens gelesenen Texten gehört ein Roman, der in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert und aktuell ist, nämlich Wilhelmine […]
Liebe im geteilten Deutschland
EIN GASTBEITRAG VON SEBASTIAN HELBIG Christa Wolf erzählt in der Liebesgeschichte Der geteilte Himmel (1963) das Problem der deutschen Teilung nach. Die Handlung von Der geteilte Himmel wird von Christa Wolf weder zeitlich noch geografisch genau in die Geschichte der deutschen Teilung eingeordnet. Anhand verschiedenster Hinweise lässt sich die Erzählung jedoch in das Jahr 1961, kurz vor den Bau der Mauer, […]
Sterbenlassen. Zu Maren Wursters ‚Papa stirbt. Mama auch‘
Das ist ein Buch, das man jedem in die Hand geben möchte, jeder sowieso. Und dafür ist es auch ausnahmsweise völlig unwichtig, dass es von einer Frau geschrieben wurde, nämlich Maren Wurster. Es ist ihr zweiter Roman, er heißt Papa stirbt, Mama auch; man könnte den Titel auch fortsetzen: Ich, das Kind, auch. Denn es […]
Weltbürgerin wider Willen
Gedanken zu Irmgard Keuns wenig beachteten Roman Kind aller Länder (1938) Die Protagonistin von Irmgard Keuns 1938 erschienen Roman ist das zehnjährige Mädchen Kully, das sich selbst als Weltbürgerin versteht. Als ‚Weltbürger‘ bezeichnet man „jemanden, nach dessen Anschauung alle Menschen gleichwertige und gleichberechtigte Mitglieder einer die ganze Menschheit umfassenden Gemeinschaft sind und die Zugehörigkeit zu […]
Mit eiskaltem Händchen das Leben ergreifen – Annette von Droste-Hülshoff vor kafkaeskem Hintergrund (4)
4. Wüstenblumen und Vampire Am deutlichsten (und das heißt, wie wir nach der siebenfachen Lektüre der Judenbuche wissen: am rätselhaftesten) sieht man Annette von Droste-Hülshoff jedoch in einer ihrer bekannteren Balladen, dem Fräulein von Rodenschild. Schon die Stoffgeschichte ist verwirrend und bezeichnend genug: Die Spukgeschichte taucht in westfälischen Sagen auf (aber situiert an einem anderen […]