Wer kennt sie: Magdalena Rieger, Sophie von La Roche, Marianne Ehrmann, Therese Huber, Ottilie Wildermuth, Isolde Kurz oder Victoria Wolff? Für weibliches Schreiben waren die Bedingungen in den letzten Jahrhunderten oftmals schwierig. Noch heute wird der Literaturkanon von männlichen Autoren dominiert. Ein Vortrag in Tübingen widmete sich Schriftstellerinnen aus über 200 Jahren schwäbischer Literaturgeschichte und […]
Lieder einer furchtlosen Frau (3): Aus Sylvia Towsend Warners Kindheit
Bekanntlich beginnt jeder ordentliche Bildungsroman mit den Eltern. Über die Eltern von Sylvia Townsend Warner findet sich in einer ihrer nach ihrem Tod veröffentlichten Kindheitsgeschichten ein Satz, der ein ganzes umständliches Persönlichkeitsprofil ersetzt, er heißt: „My mother was infallible. My father made no such claim, but he had a fine assortment of irrefutable doubts” (Meine […]
Tod einer Schwärmerin, oder: Erzählen von der Depression im 18. Jahrhundert
Johann Karl Wezel gehört zu denjenigen Autoren, von denen Kennerinnen des 18. Jahrhunderts vielleicht einmal etwas gehört haben; aber so richtig hat er es in keinen Bildungs-Kanon geschafft und schon gar nicht auf irgendwelche Bestseller-Listen. Und zu seinen am wenigstens gelesenen Texten gehört ein Roman, der in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert und aktuell ist, nämlich Wilhelmine […]
Liebe im geteilten Deutschland
EIN GASTBEITRAG VON SEBASTIAN HELBIG Christa Wolf erzählt in der Liebesgeschichte Der geteilte Himmel (1963) das Problem der deutschen Teilung nach. Die Handlung von Der geteilte Himmel wird von Christa Wolf weder zeitlich noch geografisch genau in die Geschichte der deutschen Teilung eingeordnet. Anhand verschiedenster Hinweise lässt sich die Erzählung jedoch in das Jahr 1961, kurz vor den Bau der Mauer, […]
Sterbenlassen. Zu Maren Wursters ‚Papa stirbt. Mama auch‘
Das ist ein Buch, das man jedem in die Hand geben möchte, jeder sowieso. Und dafür ist es auch ausnahmsweise völlig unwichtig, dass es von einer Frau geschrieben wurde, nämlich Maren Wurster. Es ist ihr zweiter Roman, er heißt Papa stirbt, Mama auch; man könnte den Titel auch fortsetzen: Ich, das Kind, auch. Denn es […]
Weltbürgerin wider Willen
Gedanken zu Irmgard Keuns wenig beachteten Roman Kind aller Länder (1938) Die Protagonistin von Irmgard Keuns 1938 erschienen Roman ist das zehnjährige Mädchen Kully, das sich selbst als Weltbürgerin versteht. Als ‚Weltbürger‘ bezeichnet man „jemanden, nach dessen Anschauung alle Menschen gleichwertige und gleichberechtigte Mitglieder einer die ganze Menschheit umfassenden Gemeinschaft sind und die Zugehörigkeit zu […]
Mit eiskaltem Händchen das Leben ergreifen – Annette von Droste-Hülshoff vor kafkaeskem Hintergrund (4)
4. Wüstenblumen und Vampire Am deutlichsten (und das heißt, wie wir nach der siebenfachen Lektüre der Judenbuche wissen: am rätselhaftesten) sieht man Annette von Droste-Hülshoff jedoch in einer ihrer bekannteren Balladen, dem Fräulein von Rodenschild. Schon die Stoffgeschichte ist verwirrend und bezeichnend genug: Die Spukgeschichte taucht in westfälischen Sagen auf (aber situiert an einem anderen […]
Der Leviathan ist eine Frau!
Eine Lektüre von Moby Dick in Corona-Zeiten Ist der Leviathan weiblich? Wenn man ein Werk der Weltliteratur lesen will, das wenigstens eine vergleichbare Größendimension hat wie Corona weltweit, dann greife man zu Moby Dick. Ja, das mit dem Wal. Von Hermann Melville, temporärer Waljäger, Weltreisender wider Willen, Strafgefangener, Meuterer und Autor; am Ende seines Lebens […]
Moderata Fonte, oder: Der Sündenfall, weiblich
Wenig wissen wir von den ersten Frauen, die nicht nur schrieben und ihre Werke aller Widerstände zum Trotz veröffentlichten, sondern die auch noch über das heikelste aller Themen schrieben, nämlich: den Wert der Frau. Manchmal hat man das Gefühl, dass der Streit um die Vorzüge des männlichen oder weiblichen Geschlechts (die querelle des hommes et […]
Olga Tokarczuk, oder: enzyklopädisches Schreiben, weiblich
Natürlich wusste ich vorher nichts von Olga Tokarczuk. Aber als dann der Name da war, und als ich mich entschlossen hatte, mich repräsentativ für ihr umfangreiches und vielfältiges Gesamtwerk auf ihr letztes und umfangreichstes Buch zu stürzen, Die Jakobsbücher; und als ich schließlich mit anfänglicher Verwirrung, zunehmender Begeisterung und schließlich großer Bewunderung die 1.200 Seiten […]