Zuerst war ein „Frauenzimmer“ ein Zimmer, in dem Frauen sich aufhielten. Wo sollten sie sich auch sonst aufhalten? Schließlich waren ihnen weite Teile der Öffentlichkeit verschlossen, aber wenigstens hatten sie ihre eigenen Säle, wo es Frauendinge gab und man Frauentätigkeiten nachging und nicht darüber nachdachte, dass draußen ja auch noch eine Welt liegen könnte. Es war a Room of her own, aber nur für die große Dame, die höfische Dame, die reiche Dame natürlich – „Weibspersonen“, also Frauen niederen Standes, die man auch gern mal „das Mensch“ schimpfte, hatten wohl noch nicht einmal einen Raum für sich, sondern nur Last und Plage, wie das Vieh. Und weil die Verbindung so eng war zwischen Frau und Zimmer, zwischen Geschlecht und innerer Sphäre, nannte man bald die Frauen kurzerhand, als Kollektiv verstanden (aber natürlich unter Ausschluss der Weibspersonen): „Frauenzimmer“; so, als trüge das ganze Geschlecht sein Haus immer bei sich, wie eine Schnecke, und erst wenn sie stirbt, wird sie es mit einem neuen, engen Haus tauschen. Hätte man sich vorstellen können, dass man die Männer – nun, Mannshof, Mannsstadt, Mannswald, Mannsstraße nannte? Nein, der Mann konnte frei wählen zwischen Innen- und Außenräumen, es war eine Männerwelt, das wäre wohl der richtige Raumbegriff gewesen: „Mannwelt“. Aber eigentlich konnte man auch einfach Menschen sagen, wenn man Männer meinte, und der „Weltmann“ war nur das Prunkstückchen der Männerwelt. Doch nach und nach bekommen einzelne Frauen ein Gesicht; es kommt sogar gelegentlich aus seinem Zimmer hervor, es wurde gehört, dass der zierliche Mund beinahe kluge Dinge sagte, es wurde gesehen, dass die zarte Hand, natürlich bedeckt von einem Seidenhandschuh, sich auf eine Männerhand legte und man gemeinsam die – man glaubt es kaum! –öffentliche Straße entlang ging! Das durfte aber nur das Frauenzimmer von gutem Ruf und seriösem Stand, das vornehme Frauenzimmer!
Lange hielt sich der Begriff im deutschen Sprachgebrauch, und niemand dachte sich viel dabei, dass eine Frau mit einer Sache verknüpft wurde, noch dazu mit einer Sache, die in den allerwenigsten Fällen ihr selbst gehörte oder über die sie hätte verfügen können. Und so meint man bis heute, wenn man vom „Frauenzimmer“ liest, nicht einen neutralen Kollektivsingular vor sich zu sehen oder eine feine Dame, sondern ein Wesen, seltsam eingeschnürt in ein Korsett und vier Wände, mit wenig Bewegungsfreiheit, die getürmte Lockenfrisur stößt beinahe an die niedrige Zimmertür. Gelegentlich verschiebt sich die Vorstellung auch ins Groteske und das Frauenzimmer wird vierschrötig und mutiert nach und nach zu einem Wesen, das mit den Schränken und den Betten und den Kommoden und den feinbeinigen Stühlen verschmilzt, so lange, bis es beinahe den ganzen Raum ausfüllt. Die Gardinen fallen ihm als Haare über die breiten Matrosenschultern, und der Kronleuchter bildet einen grotesken Halsschmuck über den ausladenden Sesselpolstern. Als Lieschen Müller eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand sie sich mit ihrem Zimmer zu einem ungeheuren Ungeziefer verschmolzen.
Frauenzimmerarbeiten im Nähen, Spinnen, Waschen, Plätten usw. Kupferstich von Daniel Chodowiecki, 1774
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