Öko-Mainstream oder grüne Literaturavantgarde? Das ist hier die Frage. Fest steht: Der norwegischen Schriftstellerin Maja Lunde, die sich bislang mit Kinder- und Jugendbüchern einen Namen machte, ist mit ihrem Debütroman über das Bienensterben ein Bestseller geglückt. In über 30 Länder wurde Die Geschichte der Bienen verkauft und erhielt in Norwegen als meistverkauftes Buch den Titel „Buch des Jahres 2018“.
Maja Lunde wählt ein Thema, das die Zukunft der Menschheit angeht – mancher Mensch war sich dessen vor der Lektüre bewusst, mancher hinterher, und Nichtleser (es sind allerdings auch Menschen!) summen eventuell unbeschwert in bienenthematischer Ahnungslosigkeit durchs Leben. Die Autorin beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel von Mensch und Natur, verbindet dabei Fakten mit Fiktionen und macht das Wunder der Schöpfung poetisch am Beispiel der Bienen fest. Dabei entwickelt sie ein Narrativ, das sich gleich in unterschiedliche Zeitkorridore und geographische Räume einschreibt. Die Geschichte dreier Familien verbindet Länder und Jahrhunderte miteinander – England im Jahr 1852, Ohio in den USA im Jahr 2007 und China im Jahr 2098. Zusammengehalten wird dieses Erzählkonglomerat durch die jeweilige Arbeit der Familien mit den Bienen. Während es Mitte des 19. Jahrhunderts bei dem Biologen und Samenhändler William um die Erfindung moderner Bienenstöcke und das Rennen auf Patentanmeldungen geht, werden im Jahr 2007 das zunehmende Bienensterben bei Imker George in Ohio und das sich daran knüpfende Schicksal von Imkern in den Blick gerückt. 2098 ist die Sorge harte Realität geworden: Die Insekten sind tot, die Menschen müssen die Blüten selbst bestäuben, es herrscht Armut und Hunger. Die USA haben ihre Monopolstellung längst verloren und China ist das führende Land auf der Welt, in dem Tao – eine der fleißigen Arbeiterinnen – die Blüten und Bäume bestäubt, bis ihr Sohn Wei-Wen eines Tages von einem Insekt gestochen wird… Maja Lunde arbeitet die „Geschichte der Biene“ geschickt zu persönlichen Schicksalen aus, die beim Lesen einen Sog erzeugen. Das Buch ist szenisch geschrieben, bildreich und darum wundert es auch nicht, dass eine Verfilmung bereits in Planung ist.
Bei aller Bewunderung für das Werk und dessen Spannungsaufbau, Aktualität und hehres Ziel, die Leser*innen für einen besseren Umgang mit der Umwelt zu sensibilisieren – Hochliteratur ist es nicht. Will es vielleicht auch gar nicht sein. Muss es auch nicht sein. Es ist gute – vielleicht sogar sehr gute – und anspruchsvolle Unterhaltungsliteratur, die man jedem ans Herz legen kann. Die Sprache ist einfach, die Geschichte nicht allzu komplex. Vieles lässt sich vorhersehen. Die Charaktere sind plastisch gezeichnet, lassen aber trotzdem kaum identifikatorisches Lesen zu. Darüber hinaus gibt es ein Übergewicht an starken Frauenfiguren, während alle männlichen Protagonisten als rückwärtsgewandt, resignierend oder gar als Versager geschildert werden und ohne jegliches Rebellentum auskommen. Selbst als Feministin plädiert frau zumindest in einer der drei Geschichten für ein bisschen mehr männliche Stärke, Innovation und Heroismus. Ansonsten schwirrt uns noch die Gleichberechtigung literarisch davon.
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