Sie ist wenig bekannt; noch viel weniger bekannt als ihre Zeitgenossin Virginia Woolf, der wenigstens postumer Ruhm in hohem Maße zukam (es gibt auch keinen Grund, Angst vor ihr zu haben). Immerhin sind ihre Romane teilweise ins Deutsche übersetzt; ihre Gedichte hingegen sind sogar in ihrer englischen Muttersprache kaum noch erhältlich. Wer war Sylvia Townsend Warner, und warum sollte sie endlich gelesen werden (nicht nur von Frauen, aber notfalls auch: zuerst von Frauen)? Antworten auf diese Fragen demnächst auf schoengeistinnen.de. Und als Appetizer schon einmal einige wenige ihrer Gedichte, im Original und in (eigener) Übersetzung!
Wish in Spring
To-day I wish I was a tree,
And not myself.
Confronting spring with a neat little row of poems
Like cups and saucers on a shelf.
For then I should have poems innumerable,
One kissing the other;
Authentic, perfect in shape and lovely variety,
And all of the same tireless green colour.
No one would think it unnatural
Or question my right;
All day I would wave them above the heads of the people,
And sing them to myself all night.
But as I am only a woman,
And not a tree,
With piteous human care I have made this poem,
Frühlingswunsch
Heut wär‘ ich am liebsten ein Baum,
und nicht ich selbst.
Ich würde dem Frühling mit einer netten kleinen Reihe von Gedichten begegnen,
wie Tassen und Unterteller auf einem Regalbrett gereiht.
Denn dann hätte ich unzählige Gedichte,
von denen eines das andere küsst,
ganz es selbst, in makelloser Form und lieblicher Vielfalt.
Und alle von dem gleichen unermüdlichen Grün.
Niemand würde das für unnatürlich halten
oder mir das Recht dazu absprechen;
den ganzen Tag lang würde ich sie den Leuten über die Köpfe wirbeln,
und die ganze Nacht lang würde ich sie mir selbst vorsingen.
Aber da ich nur eine Frau bin,
und kein Baum,
habe ich mit erbarmungswürdiger menschlicher Sorgfalt dieses eine Gedicht gemacht
und setze es jetzt aufs Regal, damit es mit den anderen ist.
Woman’s Song
Kind kettle on my hearth,
Whisper to avert God’s wrath,
Scoured table, pray for me.
Jam and pickle and conserve.
Cloistered summers, named and numbered,
Me from going bad preserve,
Pray for me.
Wrung dishclout on the line
Sweeten to those nostrils fine,
Patched apron, pray for me.
Calm linen in the press,
Far-reaped meadows, ranged and fellowed,
Clothe the hour of my distress;
Pray for me.
True water from the tap
Overflow the mind’s mishap.
Brown tea-pot, pray for me.
Glass and clome and porcelain,
Earth arisen to flower a kitchen,
Pray for me.
All things wonted, fleeting, fixed,
Stand me and myself betwixt,
Sister my mortality.
By you transcience still renewed,
But more meek than mine and speechless,
In eternity’s solitude,
Pray for me.
Lied einer Frau
Lieber Kessel auf meinem Herd,
besäusele den Zorn Gottes!
Gescheuerter Tisch, bete für mich!
Marmelade, Eingemachtes,
konservierte Sommerklöster, gut beschriftet und gezählt,
betet für mich!
Ausgewrungenes Geschirrtuch auf der Wäscheleine,
umschmeichle Gottes feine Nasenflügel,
geflickte Schürze, bete für mich!
Stilles Leinen in der Bügelpresse,
weite gemähte Wiesen, geordnet und befreundet,
bedeckt die Stunde meiner Not;
betet für mich.
Wasser der Wahrheit aus dem Hahn,
spüle die Missgeschicke des Geistes hinweg.
Brauner Teekessel, bete für mich.
Glas und Ton und Porzellan,
Erde, auferstanden zum Blumenschmuck einer Küche,
bete für mich.
All ihr Dinge, alltäglich, flüchtig, geflickt,
stellt euch zwischen mich und mein Selbst,
verschwistert meine Sterblichkeit.
Mit eurer verneuten Vergänglichkeit,
die sanftmütiger ist als meine, und sprachlos,
einsam für alle Ewigkeit:
Betet für mich.
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