Zwischen Albert Einstein und Marilyn Monroe scheint es eine Art seltsame Anziehung zu geben. Im Internet gibt es beispielsweise einen Sehtest, wo man auf ein Foto schauen kann, und wenn man es aus der Nähe betrachtet, sieht es wie Einstein aus, und aus der Ferne wie Marilyn (was beweist, dass die Augen in Ordnung sind!). Gelegentlich wird ihnen auch eine kurze Beziehung unterstellt; oder der folgende Dialog, der es auch auf das eine oder andere Poster geschafft hat: Marilyn trifft Einstein auf einer Dinnerparty, und beim Champagner flötet sie ihm ins Ohr: „Ich würde so gern ein Kind mit dir haben. Mit meinem Aussehen und deinem Gehirn wird es das perfekte Kind sein!“ Worauf Einstein antwortet: „Und was, wenn es mein Aussehen und dein Gehirn hat?“ Nun, vielleicht wäre das ja gar nicht so schlimm gewesen: Denn ebenfalls im Internet kann man immer wieder lesen, dass Marilyn sogar einen höheren IQ als Albert hatte; sie war jedenfalls gebildet und belesen und spielte das dumm-naive Blondchen ziemlich sicher nur auf der Leinwand, weil das alle so sehen wollten. Denn: Blondinen sind nun einmal dumm!
Wie alle Stereotype ist auch dieses unsterblich, aber man könnte ja einmal einen Moment nachdenken darüber: Warum nun ausgerechnet die Kopplung von Blondheit und Dummheit? Zum einen könnte man einen natürlichen Neid-Reflex vermuten: Schönheit und Intelligenz sind wahrscheinlich die beiden Eigenschaften, die die meisten Menschen maximal erstreben. Dass jemand beides in sich vereinen sollte, erscheint einfach ungerecht! Also füttert man es lieber in ein Geschlechterstereotyp vom ‚schönen Geschlecht‘ ein, das andere hat es aber auch nur bis zum ‚starken Geschlecht‘ gebraucht. Zum zweiten ist, wenn man genau hinschaut, das Blondinen-Stereotyp so ziemlich exakt der Gegentypus des Philosophen-Stereotyps (alter weißer Mann, eher Haupthaarbefreit, weise und weitgehend asexuell). Nichts scheint sich weniger auszuschließen, als Blondine und Philosoph(in) zu sein!
Dazu ein Blondinenwitz, er ist ein wenig länger: „Kommt eine Blondine an einen Fluss und erschrickt: ‚O, ein Fluss! Wie komm ich jetzt da bloß rüber? Ach, wenn ich doch zehnmal klüger wäre als ich bin, dann wüsste ich bestimmt, was zu tun ist!‘ Ping! ist sie eine Brünette – und schwimmt durch den Fluss. Kommt noch eine Blondine an den Fluss und erschrickt: ‚O, ein Fluss! Wie komm ich jetzt da bloß rüber? Ach, wenn ich doch hundertmal klüger wäre als ich bin, dann wüsste ich bestimmt, was zu tun ist!‘ Ping! ist sie eine Schwarzhaarige – und baut sich ein Floß und rudert über den Fluss. Kommt noch eine Blondine an den Fluss und erschrickt: ‚O, ein Fluss! Wie komm ich jetzt da bloß rüber? Ach, wenn ich doch tausendmal klüger wäre als ich bin, dann wüsste ich bestimmt, was zu tun ist!‘ Ping! ist sie ein Mann – und geht über die Brücke“. Vielleicht nur mäßig komisch und eher mehrfach unkorrekt, aber so sind Witze eben. Wenn man ihn jedoch aus der Distanz liest, das Lachen ein wenig länger im Halse stecken lässt: Ist dann nicht die Blondine die weise Frau in diesem länglichen Scherz? Sie ist nämlich, zum einen, demütig im Blick auf ihre eigenen kognitiven Fähigkeiten und damit eine enge Verwandte von Sokrates, der nur sicher weiß, dass er nicht (oder nichts) weiß. Sie setzt sich zum zweiten sehr grundlegend mit der Situation auseinander: Sie erkennt den Fluss als ein archetypisches Hindernis, als etwas, das Menschen trennt; vielleicht auch etwas, in das man nie zum zweiten Mal steigen kann? In ihrer Mutation als Mann (die Brünette und die Schwarze lassen wir aus, das ist im Wesentlichen potenzierte Frauenfeindlichkeit) jedoch praktiziert sie einfach langweilig ihre funktionale Intelligenz: Fluss, Brücke, rübergehen, fertig! Eine demütige Blondine sieht jedoch nicht nur das Gestell, das technische Werkzeug des Mannes: Sie sieht den Fluss in seiner Natur als Flutendes, den Strom als Strömendes, demgegenüber sie selbst – nur ein Dastehendes und Zweifelndes ist.
Zu blond gedacht? Zweiter Versuch. Zum Glück gibt es eine Kategorie von Witzen, die alle gleichermaßen zu Dummköpfen macht, die Glühbirnen-Witze nämlich, eine Art praktischer Intelligenztest. Also: „Wieviel Philosophen braucht man um eine Glühbirne zu wechseln?“ Hier gibt es eine ganze Reihe von mehr oder weniger witzigen Antworten, sie unterscheiden nach philosophischer Schule und Glaubensrichtung, was komisch sowieso nur für andere Philosophen ist; nehmen wir also den sozusagen philosophisch Allgemeinsten: „Beliebig viele. Einer wechselt die Glühbirne, und alle anderen diskutieren darüber, ob das wirklich so passiert ist“. Philosophie ist: Viel Geschwätz zur Vermeidung einfacher Realität. „Wieviel Blondinen braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln?“ Wieder gibt es mehrere Antworten, wir nehmen wieder die allgemeinste: „Eine. Sie hält die Birne und die Erde dreht sich um sie“. Kein Geschwätz, null. Weltkenntnis und Geduld und Demut. Das ist nicht naive blonde Dummheit. Das ist wahre Philosophie!
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