Eine Lektüre von Moby Dick in Corona-Zeiten Ist der Leviathan weiblich? Wenn man ein Werk der Weltliteratur lesen will, das wenigstens eine vergleichbare Größendimension hat wie Corona weltweit, dann greife man zu Moby Dick. Ja, das mit dem Wal. Von Hermann Melville, temporärer Waljäger, Weltreisender wider Willen, Strafgefangener, Meuterer und Autor; am Ende seines Lebens […]
Moderata Fonte, oder: Der Sündenfall, weiblich
Wenig wissen wir von den ersten Frauen, die nicht nur schrieben und ihre Werke aller Widerstände zum Trotz veröffentlichten, sondern die auch noch über das heikelste aller Themen schrieben, nämlich: den Wert der Frau. Manchmal hat man das Gefühl, dass der Streit um die Vorzüge des männlichen oder weiblichen Geschlechts (die querelle des hommes et […]
Olga Tokarczuk, oder: enzyklopädisches Schreiben, weiblich
Natürlich wusste ich vorher nichts von Olga Tokarczuk. Aber als dann der Name da war, und als ich mich entschlossen hatte, mich repräsentativ für ihr umfangreiches und vielfältiges Gesamtwerk auf ihr letztes und umfangreichstes Buch zu stürzen, Die Jakobsbücher; und als ich schließlich mit anfänglicher Verwirrung, zunehmender Begeisterung und schließlich großer Bewunderung die 1.200 Seiten […]
Die kluge Scheherazade schrieb Welt-Geschichten
Wer war Scheherazade? Eine Gestalt steigt, noch etwas unscharf, vor unserem inneren Auge herauf: Es ist eine Frau, jung und schön, sie trägt exotische Gewänder, die viel Haut zeigen, der Bauch ist frei und reicher Schmuck belädt ihre Stirn, ihre Hände, ihre Füße, ihren Bauch. Es klimpert hell, als sie langsam näherkommt, und sie lächelt […]
Der Blog am Ende des Lektüre-Universums (II)
(III) Der Roman betritt die Bühne und untergräbt die Hochliteratur Als die europäischen Gelehrten dann, gut tausend gemeinhin als „dunkel“ betrachtete Jahre später, daran gingen, das Wissen der Alten wieder hervorzukramen und etwas aufzufrischen, war die Situation auf dem literarischen Markt noch ziemlich entspannt. Genauer gesagt, gab es ihn nicht. Lesen konnte, bis weit ins […]
Wo ist die Grenze zwischen Leben und Tod?
„Um dem Leben auf die Spur zu kommen, muss man sich zuerst dem Tod zuwenden.“ Das schreibt Mary Shelley in ihrem berühmten Schauerroman Frankenstein oder der moderne Prometheus. Der Roman erscheint 1818 zunächst anonym, die endgültige Fassung schließlich 1831. Solange spukt dieses Wesen, dieses Monster, das zwischen Leben und Tod steht, in ihrem Kopf. Es […]
Feuerfarb
Ich weiß eine Farbe, der bin ich so hold,die achte ich höher als Silber und Gold;die trag‘ ich so gerne um Stirn und Gewand,und habe sie Farbe der Wahrheit genannt. Wohl reizet die Rose mit sanfter Gewalt;doch bald ist verblichen die süße Gestalt:drum ward sie zur Blume der Liebe geweiht;bald schwindet ihr Zauber vom Hauche […]
Auf den Spuren einer Amerikanerin in Paris: „Rose is a Rose is a Rose…“
Als in Paris lebende Amerikanerin empfing sie bei sich zu Hause die intellektuellen Größen der 1920er Jahre: Ernest Hemingway, Pablo Picasso, Henry Matisse, Ezra Pound, F. Scott Fitzgerald, Sherwood Anderson oder T. S. Eliot. Sie nannte sie die ‚Lost generation‘, ‚la génération perdue‘, und gab den vermeintlich im Ersten Weltkrieg verloren gegangenen Seelen für einige […]
Leidenschaft für Irène Némirovsky
Ihre Sprache fasziniert. Ihre Gedanken bewegen. Ihre Geschichte berührt. Sie ist meine persönliche Neuentdeckung und eine literarische Wiederentdeckung zugleich: Irène Némirovsky (1903-1942). Die einst in Paris lebende ukrainisch-jüdische Schriftstellerin Irène Némirovsky ist bereits vor über 70 Jahren gestorben. Und zwar auf tragische Weise: Obwohl sie noch zum Christentum konvertierte und ihre Romane in den 1930er Jahren in Frankreich gefeiert wurden, verwehrten ihr die Franzosen die französische Staatsbürgerschaft. Nach Einmarsch der Deutschen […]
Tapeten und Subtexte: Charlotte Perkins Gilman, ‚The Yellow Wallpaper‘
Es gibt einige wenige Texte von schreibenden Frauen, die man als Urtexte weiblichen Schreibens lesen kann: Vielleicht sogar ohne dass ihre Autorin das beabsichtigt hatte, fassen sie die Probleme und Chancen, die Leistungen und Defizite weiblichen Schreibens auf eine derart intensive Art zusammen, dass man meint, jedes einzelne Wort, jeder Satz sei schwer von symbolischem […]