Es ist ein bekanntes und nicht nur in Kriegs- und Krisenzeiten (dann aber besonders gut) zu beobachtendes Phänomen, dass die Menschheit, sobald sie die Wahl hat, zuverlässig in zwei ungefähr gleich große Hälften zerfällt: Kaffee- und Teetrinker, Hunde- und Katzenliebhaber, Warmbader und Kaltduscher, Apple– und Microsoft-User, egal wie und wo und wann: Wer für das […]
Wahrsagerinnen und Weissager
Aus Goethes Wörtertasche Wahrsagung und Weissagung: Man könnte meinen, die wesentliche Verbindung zwischen beiden Wörtern (außer dem willig wiederklingenden W) sei ihr Ausgestorbensein: Außer Wetterpropheten – na gut, und Zukunftsforschern und Trendspürern; und Zeitschriftenastrologen und Epidemiologen – na gut, genauer besehen ist weder das Wahrsagen noch das Weissagen ausgestorben; man nett es nur schicker. Für […]
Die Nicht-Familie auf der Nicht-Insel
Zur Emanzipation der schönen Helena in Goethes ‚Faust II‘ Zwischendurch las irgendwann Faust II, zum ungefähr vierten Mal. Dieses Mal ging es mir eigentlich um Fausts Verbrechertum, aber abgelenkt wurde ich noch einmal durch die Geschichte mit Helena (die Handlung kann man bei Wikipedia nachlesen, oder unten nach dem Beitrag). Bei der Drittlektüre war mir […]
Autorinnenrätsel, die Erste: Auf den Spuren der berühmtesten Autorin aller Zeiten
Sie war lange Zeit lang die meistverkaufte literarische Autorin aller Zeiten (generisches Femininum, also: männliche Autoren inbegriffen). Eines ihrer Theaterstücke lief beinahe siebzig Jahre lang auf der gleichen Bühne, erst Corona machte dem Rekord ein Ende. Sie ist auch die meistübersetzte Autorin (generisches Femininum, siehe oben). Sie erhielt zwar niemals den Nobelpreis, aber wurde für […]
Begünstigte Tiere – ein Seitenstück in ‚animal poetics‘
Damit, für alle, die noch ein wenig Lust auf interkulturelle Lockerungsübungen haben, ein Schwenk zu den Begünstigten Tieren als eine Art Seitenfabel zu den Auserwählten Frauen. Das Gedicht geht so: Vier Tieren auch verheißen war,Ins Paradies zu kommen,Dort leben sie das ew’ge JahrMit Heiligen und Frommen. Den Vortritt hier ein Esel hat,Er kommt mit muntern […]
„Auserwählte Frauen“ und „begünstigte Tiere“ – Interkulturelle Weiblichkeit in Goethes West-östlichem Divan
Zur Sicherheit eine Warnung: Dieses ist, wieder einmal, kein Beitrag zur Emanzipation der Frau und ihrem immerwährenden Siegeszug. Eher im Gegenteil. Aber es ist vielleicht ein historisch interessanter zu den interkulturellen und religiösen Schwierigkeiten von Emanzipation, wenn man sie ausschließlich in konventionell-modernen Begriffen denken will; und ein wenig Ironie wäre bei der Lektüre vielleicht auch […]
Die Spiegelparabel
Eine weibliche Variante der Ringparabel Vor grauen Jahren lebte eine weise Frau im Osten,die einen Spiegel hatte von sehr großem Wert,von lieber Hand vererbt. Der Spiegel war so rein,dass jede, die hineinsah, sich erkannte,in allen ihren Eigenarten. VielzähligeKristalle zeigten jeden Fehler, jeden Vorzug;jedoch nur der, die redlich in ihn schaute,zeigte der Spiegel auch ihr ganzes […]
Mit eiskaltem Händchen das Leben ergreifen – Annette von Droste-Hülshoff vor kafkaesken Hintergrund (3)
3. Indianer in Westfalen, gesehen von einem ernsthaften Herrn Aberglauben, Volksbräuche, Spukgeschichten – das alles hat Annette interessiert, sie sammelte westfälische Geschichten wie die Brüder Grimm vermeintliche Volksmärchen, mit ihnen war sie in der Zeit der ‚Tugendprobe‘ gelegentlich zusammengekommen. Eine Zeitlang plante sie gar ein Westfalen-Projekt, von dem nur die Bruchstücke überliefert sind: Die Judenbuche […]
Der Leviathan ist eine Frau!
Eine Lektüre von Moby Dick in Corona-Zeiten Ist der Leviathan weiblich? Wenn man ein Werk der Weltliteratur lesen will, das wenigstens eine vergleichbare Größendimension hat wie Corona weltweit, dann greife man zu Moby Dick. Ja, das mit dem Wal. Von Hermann Melville, temporärer Waljäger, Weltreisender wider Willen, Strafgefangener, Meuterer und Autor; am Ende seines Lebens […]
Mit eiskaltem Händchen das Leben ergreifen – Annette von Droste-Hülshoff vor kafkaesken Hintergrund (1+2)
Am Ende hatte ich den Verdacht, sie sei die einzig wahre Vorgängerin (eine Frau! im 19. Jahrhundert! im idyllischen Biedermeier! aus Westfalen!) von Franz Kafka. Nur scheinbar schaut Annette von Droste-Hülshoff so brav gelockt von deutschen 20-Euro-Scheinen; die Nase ist ein wenig spitz, der Blick ernst, und sie scheint zu sagen: Das wäre nun wirklich […]