Zu Donna Leons neuem Brunetti-Krimi Geheime Quellen Natürlich erwartet man nichts Neues, wenn man einen Krimi von Donna Leon zur Hand nimmt. Milde wundert man sich vielleicht, dass die alte Dame immer noch schreibt; dass es noch ein venezianisches Verbrechen gibt, das ihr so sanfter, so gern die Klassiker lesende Commissario Brunetti noch nicht aufgedeckt […]
„1000 Serpentinen Angst“: Olivia Wenzel legt den Finger in die Wunde
Ein Gastbeitrag von Emma Bohn „ÄRGERT ES DICH IMMER NOCH, DASS ES 300 MAL SO VIELE ABHANDLUNGEN ÜBER DEN DEUTSCHEN WALD GIBT WIE ÜBER DEN DEUTSCHEN KOLONIALISMUS?“, fragt die Protagonistin sich in einem der vielen Selbstgespräche in 1000 Serpentinen Angst. Jedes Wort in Großbuchstaben, um es von der eigenen Antwort (in Kleinschreibung) abzuheben. Aber vermutlich […]
Weltbürgerin wider Willen
Gedanken zu Irmgard Keuns wenig beachteten Roman Kind aller Länder (1938) Die Protagonistin von Irmgard Keuns 1938 erschienen Roman ist das zehnjährige Mädchen Kully, das sich selbst als Weltbürgerin versteht. Als ‚Weltbürger‘ bezeichnet man „jemanden, nach dessen Anschauung alle Menschen gleichwertige und gleichberechtigte Mitglieder einer die ganze Menschheit umfassenden Gemeinschaft sind und die Zugehörigkeit zu […]
„Die Welt folgt keinem Plan“ – Elizabeth Gilbert erzählt erneut die Geschichte einer starken Frau
Sie inspirierte die amerikanische Starautorin Elizabeth Gilbert zu ihrem neuen Bestsellerroman City of Girls (2020): die heute 93-jährige Norma Amigo – einst ein Revuegirl im New York der 1940-er Jahre. Sie lebte und liebte, wie und wen sie wollte, heiratete nie, verzichtete auf eigene Kinder und fand selbstbewusst entgegen jeglicher Konventionen ihren Platz in der […]
Mit eiskaltem Händchen das Leben ergreifen – Annette von Droste-Hülshoff vor kafkaeskem Hintergrund (4)
4. Wüstenblumen und Vampire Am deutlichsten (und das heißt, wie wir nach der siebenfachen Lektüre der Judenbuche wissen: am rätselhaftesten) sieht man Annette von Droste-Hülshoff jedoch in einer ihrer bekannteren Balladen, dem Fräulein von Rodenschild. Schon die Stoffgeschichte ist verwirrend und bezeichnend genug: Die Spukgeschichte taucht in westfälischen Sagen auf (aber situiert an einem anderen […]
Der Leviathan ist eine Frau!
Eine Lektüre von Moby Dick in Corona-Zeiten Ist der Leviathan weiblich? Wenn man ein Werk der Weltliteratur lesen will, das wenigstens eine vergleichbare Größendimension hat wie Corona weltweit, dann greife man zu Moby Dick. Ja, das mit dem Wal. Von Hermann Melville, temporärer Waljäger, Weltreisender wider Willen, Strafgefangener, Meuterer und Autor; am Ende seines Lebens […]
Moderata Fonte, oder: Der Sündenfall, weiblich
Wenig wissen wir von den ersten Frauen, die nicht nur schrieben und ihre Werke aller Widerstände zum Trotz veröffentlichten, sondern die auch noch über das heikelste aller Themen schrieben, nämlich: den Wert der Frau. Manchmal hat man das Gefühl, dass der Streit um die Vorzüge des männlichen oder weiblichen Geschlechts (die querelle des hommes et […]
Zwei Seelen wohnen, ach! in einer Freundschaft. Gedanken zu Elena Ferrantes Neapolitanischer Familiensaga
Eigentlich war ich dabei, Die Zeuginnen von Margaret Atwood zu lesen, doch dann kam Elena Ferrante dazwischen! Kürzlich erschien der vierte Band der neapolitanischen Familiensaga als Taschenbuch und ich hab Margaret Atwood noch einmal zur Seite gelegt. Schon die drei vorherigen Bände von Elena Ferrante hatte ich regelrecht verschlungen. Nach über 2.000 Seiten ist die […]
Olga Tokarczuk, oder: enzyklopädisches Schreiben, weiblich
Natürlich wusste ich vorher nichts von Olga Tokarczuk. Aber als dann der Name da war, und als ich mich entschlossen hatte, mich repräsentativ für ihr umfangreiches und vielfältiges Gesamtwerk auf ihr letztes und umfangreichstes Buch zu stürzen, Die Jakobsbücher; und als ich schließlich mit anfänglicher Verwirrung, zunehmender Begeisterung und schließlich großer Bewunderung die 1.200 Seiten […]
Herkunft als Konstrukt? Zum Roman „Herkunft“ von Saša Stanišić
Wie man es dreht, Herkunft bleibt doch ein Konstrukt! Eine Art Kostüm, das man ewig tragen soll, nachdem es einem übergestülpt worden ist. Als solches ein Fluch! Oder, mit etwas Glück, ein Vermögen, das keinem Talent sich verdankt, aber Vorteile und Privilegien schafft. Saša Stanišić erzählt in seinem Roman Herkunft von seiner Heimat Jugoslawien, von […]